Werden fällige Rechnungen nicht bezahlt oder Mahnungen nicht befolgt, ist dies für Gläubiger* sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland äusserst ärgerlich. Aus diesem Grund geben sowohl die schweizerische als auch die deutsche Rechtsordnung dem Gläubiger die Möglichkeit, offene Forderungen auf einfache und effiziente Weise geltend zu machen: In der Schweiz mittels Betreibung und in Deutschland mittels Mahnverfahren.
Betreibungsverfahren in der Schweiz
Das Betreibungsverfahren ist im schweizerischen Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) geregelt. Der Gläubiger kann bei offenen Geldforderungen gegenüber dem Schuldner die Betreibung beim zuständigen Betreibungsamt einleiten. Das Betreibungsamt erlässt daraufhin einen Zahlungsbefehl, mit dem der Schuldner zur Zahlung der Forderung aufgefordert wird. Zu beachten ist, dass beim Erlass des Zahlungsbefehls das Bestehen, die Fälligkeit, die Höhe oder die Vollstreckbarkeit der Forderung nicht geprüft wird.
Bezahlt der Schuldner nach Erhalt des Zahlungsbefehls die offene Forderung, führt diese Zahlung zur Einstellung der Betreibung. Alternativ kann der Schuldner die Forderung bestreiten, d.h. Rechtsvorschlag erheben. Wenn der Gläubiger die offene Forderung daraufhin durchsetzen möchte, muss er den Rechtsvorschlag beseitigen, d.h. die Forderung gerichtlich überprüfen lassen. Dies kann entweder im ordentlichen Zivilverfahren (oder bei einem Streitwert von unter CHF 30’000 im vereinfachten Zivilverfahren) auf Beseitigung des Rechtsvorschlags oder im summarischen Verfahren (sog. Rechtsöffnungsverfahren) geschehen. Welches Verfahren gewählt wird, hängt davon ab, ob und in welcher Urkunde die Forderung des Gläubigers festgestellt ist. Liegt eine gerichtliche Entscheidung (vollstreckbares Urteil oder vollstreckbarer Entscheid) vor oder wurde die Forderung vom Schuldner unterschriftlich anerkannt, kann die Rechtsöffnung im summarischen Verfahren erteilt werden. In allen anderen Fällen muss ein ordentliches (oder vereinfachtes) Verfahren durchgeführt werden.
Erhebt der Schuldner weder Rechtsvorschlag noch bezahlt er die in Betreibung gesetzte Forderung, so kann der Gläubiger nach Verstreichen einer Frist von 20 Tagen seit Zustellung des Zahlungsbefehls die Fortsetzung der Betreibung verlangen, d.h. bei natürlichen Personen die Pfändung und bei Gesellschaften, die im Handelsregister eingetragen sind, den Konkurs einleiten.
Mahnverfahren in Deutschland
Das Mahnverfahren ist in der deutschen Zivilprozessordnung (D-ZPO) geregelt. Der Gläubiger leitet das Mahnverfahren durch Einreichung eines Antrags auf Erlass eines Mahnbescheids beim zuständigen Mahngericht ein. Der Antrag kann online ausgefüllt werden (www.online-mahnantrag.de) und ist anschliessend auszudrucken, zu unterschreiben und per Post an das zuständige Mahngericht zu senden. Im nächsten Schritt erstellt das Mahngericht einen Mahnbescheid. Dieser beinhaltet eine Aufforderung an den Schuldner, die Forderung des Gläubigers innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung zu begleichen.
Bezahlt der Schuldner nach Erhalt des Mahnbescheids die offene Forderung, wird das Mahnverfahren beendet. Alternativ kann der Schuldner Widerspruch einlegen oder untätig bleiben. Im Falle eines Widerspruchs wird die Angelegenheit an das zuständige Gericht weitergeleitet und der Gläubiger wird aufgefordert, seine Forderung zu begründen. Entscheidet das Gericht zugunsten des Gläubigers, erhält dieser ein vollstreckbares Urteil und kann mit der Vollstreckung der offenen Forderung fortfahren.
Widerspricht der Schuldner dem Mahnbescheid nicht und bleibt er untätig, stellt das zuständige Mahngericht auf Antrag des Gläubigers (frühestens zwei Wochen nach Zustellung des Mahnbescheids) den so genannten Vollstreckungsbescheid aus. Auch nach Zustellung des Vollstreckungsbescheides hat der Schuldner drei Möglichkeiten: (1) die offene Forderung doch noch zu begleichen, (2) Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid zu erheben oder (3) untätig zu bleiben. Bezahlt der Schuldner nach Erhalt des Vollstreckungsbescheids, ist das Mahnverfahren beendet. Legt der Schuldner innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Vollstreckungstitels Einspruch ein, wird die Sache an das zuständige Gericht abgegeben bzw. in das streitige Verfahren überführt, an dessen Ende im günstigsten Fall ein vollstreckbares Urteil zugunsten des Gläubigers steht. Bleibt der Schuldner nach Erhalt des Vollstreckungsbescheides untätig und legt keinen Einspruch ein, wird der Vollstreckungsbescheid rechtskräftig. Der Gläubiger kann daraufhin gestützt auf den Vollstreckungsbescheid die zuständigen Vollstreckungsorgane mit der Zwangsvollstreckung beauftragen.
Wegzug des Schuldners
Aufgrund der heutigen internationalen Verflechtungen sind Geschäftsbeziehungen über Ländergrenzen hinweg nichts Ungewöhnliches. Ratlosigkeit herrscht auf Gläubigerseite allerdings oft dann, wenn der Schuldner seiner Zahlungsverpflichtung nicht nachkommt und der Gläubiger am aktuellen Wohnort oder Sitz des Schuldners ein Betreibungs- oder Mahnverfahren einleitet, der Schuldner aber während des laufenden Verfahrens von der Schweiz nach Deutschland oder umgekehrt verzieht.
Da sowohl die Schweiz als auch Deutschland Mitglieder des Lugano-Übereinkommens (LugÜ) sind, kann dieses in solchen Fällen zumindest teilweise zur Problemlösung beitragen. Zuständig für die Vollstreckungsverfahren sind nach dem LugÜ die Gerichte des Staates, in dem die Vollstreckung durchgeführt werden soll. Verlegt der Schuldner seinen Wohnsitz über die Ländergrenzen hinweg, entfällt somit in der Regel die Möglichkeit der Vollstreckung im Ursprungsstaat und der Gläubiger muss am neuen Wohnsitz des Schuldners gegen diesen vorgehen. Hatte der Gläubiger jedoch im Zeitpunkt des Wegzugs des Schuldners bereits ein Betreibungsverfahren eingeleitet und lag bereits eine nach dem LugÜ anerkennungsfähige Entscheidung vor, so kann das Verfahren gegen den Schuldner auch an dessen neuem Wohnsitz im Ausland fortgesetzt werden.
Wegzug des Schuldners aus der Schweiz nach Deutschland
Verzieht der Schuldner während eines Betreibungsverfahrens von der Schweiz nach Deutschland muss der Gläubiger nicht in jedem Fall ein neues Verfahren in Deutschland gegen den Schuldner einleiten, um seine ausstehende Forderung geltend zu machen. Ist in der Schweiz bereits ein Urteil auf Beseitigung des Rechtsvorschlags oder ein Entscheid auf Rechtsöffnung ergangen, kann dieses Verfahren bzw. die Vollstreckung in Deutschland fortgesetzt werden. Dazu ist zunächst eine Rechtskraftbestätigung des schweizerischen Gerichts, das das Rechtsöffnungsurteil erlassen hat, nach Art. 54 und 58 LugÜ einzuholen. Damit bestätigt das Schweizer Gericht, dass das Urteil im Ursprungsstaat, also in der Schweiz, vollstreckbar ist. In einem zweiten Schritt muss das Rechtsöffnungsurteil beim zuständigen deutschen Gericht für vollstreckbar erklärt und im Anschluss die Zwangsvollstreckung in Deutschland eingeleitet werden.
Wegzug des Schuldners aus Deutschland in die Schweiz
Verzieht ein Schuldner während eines laufenden Mahnverfahrens von Deutschland in die Schweiz, stellt sich spiegelbildlich die Frage nach der Fortsetzung der Vollstreckungsmassnahmen in der Schweiz. Ist im deutschen Mahnverfahren bereits ein Vollstreckungsbescheid ergangen und dem Schuldner zugestellt worden, kann dieser gemäss LugÜ vom zuständigen schweizerischen Gericht anerkannt und die Vollstreckung in der Schweiz mittels (definitiver) Rechtsöffnung fortgesetzt werden.
Für weitere Fragen im Zusammenhang mit der Geltendmachung Ihrer grenzüberschreitenden Forderung stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Aufgrund der Expertise unserer Spezialisten Rechtsanwältin Katharina Lux und Rechtsanwalt Simon Fricker im schweizerischen und deutschen Zivil- und Zwangsvollstreckungsrecht unterstützen wir Sie gerne sowohl bei der nationalen als auch bei der grenzüberschreitenden Durchsetzung Ihrer Forderungen.
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