Um diesen Nachteilen entgegenzuwirken, schlägt der Bundesrat Änderungen vor. Die Revision der erbrechtlichen Unternehmensnachfolge soll den Fortbestand von Unternehmen im Nachlass erleichtern, insbesondere in den Fällen, in denen bzgl. des Unternehmens weder ein Testament noch ein Erbvertrag vorliegt. Mit anderen Worten soll das Unternehmen zulasten der Ansprüche der pflichtteilsgeschützten Erben, denen das Unternehmen nicht zugewiesen wird, geschützt werden. Hierzu werden vier Massnahmen vorgeschlagen:
a) Integralzuweisung des Unternehmens
Die Zuweisung des gesamten Unternehmens an einen Erben (Integralzuweisung) ist dann relevant, wenn der/die Erblasser/in bezüglich des Unternehmens keine Zuweisung (Teilungsvorschriften) gemacht hat (z.B. im Rahmen eines Testaments oder Erbvertrags). In einem solchen Fall erhalten die Erben ein Recht auf Integralzuweisung eines Unternehmens bzw. einer kontrollierenden Mehrheit an einem Unternehmen im Rahmen der Erbteilung. Stellen mehrere Erben beim Gericht einen entsprechenden Antrag, so ist das Unternehmen dem am besten geeigneten Erben zuzuweisen. Mit dieser Regelung soll die Zerstückelung oder gar Schliessung eines Unternehmens verhindert werden.
Von dieser Bestimmung sind insbesondere börsenkotierte Gesellschaften und reine Vermögensverwaltungsgesellschaften ausgenommen.
b) Abschaffung des gefangenen Pflichtteilserben
Als Korrelat zur Integralzuweisung soll der sog. „gefangene Pflichtteilserbe“ abgeschafft werden. Gemäss geltendem Recht kann ein Pflichtteilserbe u.U. gezwungen sein, im Rahmen einer Erbteilung in Anrechnung an seinen Erbteil einen Minderheitsanteil an einem Unternehmen, der regelmässig nur einen reduzierten Wert aufweist und oftmals gar nicht verkauft werden kann, zu übernehmen. Dies soll inskünftig nicht mehr möglich sein, d.h. eine solche Zuweisung kann nur mit Zustimmung des betroffenen Pflichtteilserben erfolgen.
c) Stundung der Ausgleichsverpflichtung
Nach geltendem Recht muss der Erbe, der das Unternehmen im Rahmen der Nachlassteilung erhält, ungeachtet testamentarischer Anordnungen die anderen Erben sofort (im Umfang des Pflichtteils) auszahlen. Dies erschwert oder verunmöglicht oft die Integralzuweisung eines Unternehmens. Neu soll dieser Erbe deshalb berechtigt sein, von seinen Miterben einen Zahlungsaufschub verlangen zu können. Vergleichbare Regelungen finden sich bereits heute im Güterrecht (z.B. Art. 218 Abs. 1 ZGB). Unter Berücksichtigung der Umstände (insbesondere, ob das Unternehmen ohne Stundung überlebensfähig wäre), soll das Gericht Zahlungsfristen von höchstens 5 Jahren einräumen können, vorausgesetzt die sofortige Bezahlung könnte den Empfänger des Unternehmens in ernstliche Schwierigkeiten bringen. Da diese Stundung aber unter keinen Umständen dazu führen darf, dass die Erben ihren Pflichtteil bzw. gesetzlichen Erbteil nicht (mehr) erhalten, sind die gestundeten Beträge sicherzustellen.
d) Anrechnungswert
Eine weitere Neuerung betrifft die Bewertung des Unternehmens und dabei vorab den massgeblichen Zeitpunkt. Vorbehältlich abweichender Regelungen in einem Testament oder Erbvertrag ist dies nach geltendem Recht grundsätzlich der Todestag. Wird ein Unternehmen bereits zu Lebzeiten an einen Erben übertragen, sind entsprechend sämtliche Wertveränderungen seit Übernahme der Erbengemeinschaft zuzurechnen.
Das Bundesgericht erachtete es bereits im 2007 als unbillig, dass der ausgleichungspflichtige Erbe einen durch seine unternehmerische Tätigkeit erzielten Gewinn mit seinen Miterben teilen muss. Umgekehrt wäre es gemäss Bundesgericht auch stossend, wenn die Miterben einen (durch unternehmerische Tätigkeit) erlittenen Verlust (auf welchen sie keinen Einfluss ausüben konnten) mittragen müssten. Diese Überlegungen sollen nun Gesetz werden: Das Unternehmen (bzw. dessen betriebsnotwendige Vermögensteile) sollen zum Wert im Zeitpunkt der Zuwendung angerechnet werden, sofern der übernehmende Erbe nachweist, dass seitdem eine Wertsteigerung stattgefunden hat. Dies soll Anreiz dafür schaffen, das Unternehmen zum Zeitpunkt der Übergabe bewerten zu lassen, was wiederum auch die Abwicklung der Erbteilung erleichtern wird. Diese Bewertung wird auch dem Erblasser zur Abschätzung des Risikos bzw. gegebenenfalls sogar Beseitigung von allfälligen zukünftigen Pflichtteilsverletzungen und damit letztendlich auch zur langfristigen Nachlassplanung dienlich sein.
Auf dem gleichen Hintergedanken basiert die vorgeschlagene neue Regelung, wonach ein Erbe, der ein zu Lebzeiten übernommenes Unternehmen bei der Erbteilung in natura einwerfen will, die Zustimmung sämtlicher Erben bedarf. Damit soll verhindert werden, dass ein Erbe nach Übernahme des Unternehmens erlittene Verluste nachträglich auf die Erbengemeinschaft abwälzt.
Stand der Umsetzung
Bereits durch den Ständerat genehmigt ist die Revision zur Reduktion des Pflichtteils der Kinder (von ¾ auf ½) und des Wegfalls des Pflichtteils der Eltern. Die dadurch vergrösserte Testierfreiheit erleichtert die Übertragung von Unternehmen des Erblassers / der Erblasserin auf Personen seiner/ihrer Wahl. Stimmt auch der Nationalrat zu, kann die Gesetzesänderung frühestens 2021 in Kraft treten. Es empfiehlt sich, bereits erstellte Testamente und Erbverträge, insbesondere hinsichtlich Regelungen mit Verwendung der Wörter Pflichtteil und verfügbare Quote, einer Prüfung zu unterziehen und gegebenenfalls anzupassen.
Das Vernehmlassungsverfahren zur Änderung des Schweizer Zivilgesetzbuchs bzgl. Unternehmensnachfolge ist im Spätsommer 2019 abgelaufen. Die Auswertung der Resultate wird für das erste Quartal 2020 erwartet. Ob, wann und in welcher Form die vorgeschlagenen Regelungen in Kraft treten, ist entsprechend zum heutigen Zeitpunkt noch unklar.
Der Inhalt dieses Newsletters stellt keine rechtliche oder steuerliche Beratung dar und darf nicht als solcher verwendet werden. Bei weiteren Fragen zu diesem Thema stehen Ihnen unsere Rechtsanwälte und Steuerexperten gerne zur Verfügung.