Bundesrat mit der Erarbeitung einer Schweizer Unterhaltsstiftung beauftragt

Am 27. Februar 2024 hat nach dem Ständerat nun auch der Nationalrat die Motion von Thierry Burkart (22.4445) mit dem Titel «Die Schweizer Familienstiftung stärken. Verbot der Unterhaltsstiftung aufheben» angenommen.

| Paul Thalmann, Alexandre Jann

Die angenommene Motion will sicherstellen, dass in Zukunft die schweizerischen Familienstiftungen in der Form der Unterhaltsstiftung neben den ausländischen Trusts und Stiftungen ebenfalls als Instrument der Nachlass- und Vermögensplanung eingesetzt werden können.

Somit scheint nach jahrzehntelanger Untätigkeit erstmals ein längst überfälliger Gesinnungswandel möglich.

  1. Warum ist dieser Entscheid von Bedeutung?

Im Falle einer Gesetzesänderung würde die Schweiz ihrer Bevölkerung endlich ein schweizerisches Instrument zu Verfügung stellen, welches je nach Ausgestaltung der Gesetzesänderung die liechtensteinische Stiftung/Anstalt und die ausländischen Trusts bezüglich der inhaltlichen und zeitlichen Flexibilität konkurrenzieren könnte. Einerseits würde der Schweizer Wirtschaftsstandort international gestärkt und wohl einige Vermögen angelockt. Andererseits, und das wird in dieser Diskussion gerne unterschlagen, dürfte die Unterhaltsstiftung nicht bloss sehr vermögenden Personen gute Dienste leisten, sondern es jeder Familie mit überschüssigem Vermögen im Sinne einer Demokratisierung der Nachlassplanung ermöglichen, ihren Nachkommen eine gewisse generationenübergreifende Sicherheit bereitzustellen.

  1. Begriffsklärung und Kern des Richtungsstreits

Eine Unterhaltsstiftung begünstigt Familienmitglieder voraussetzungslos aus den Erträgen und bisweilen auch aus dem Vermögen der Stiftung. Sie ermöglicht mithin der Familie einen verbesserten Lebensstandard. Momentan sind in der Schweiz Unterhaltsstiftungen verboten resp. nichtig.

Erlaubt sind bloss Familienstiftungen nach Art. 335 ZGB, d.h. Stiftungen, die nicht voraussetzungslos begünstigen, sondern ausschliesslich zur Bestreitung der Kosten der Erziehung, Ausstattung oder Unterstützung von Familienangehörigen dienen. Zwar erwähnt das ZGB ebenfalls noch die „ähnlichen Zwecke“ als zugelassen. Dieser Begriff könnte ohne weiteres auch wirtschaftliche Zwecke umfassen im Sinne der Befriedigung von allgemein der Familie dienenden Bedürfnissen. Der Begriff wurde anfänglich auch weit verstanden, jedoch seit dem 2. Weltkrieg vom Bundesgericht im Grunde einfach ignoriert und die erlaubten Zwecke beschränkt auf besondere Bedürfnisse, die sich nur bei bestimmten Lebenslagen ergeben können (Gründung eines eigenen Hausstandes, Vorliegen einer Notsituation, etc.). Stein des Anstosses war für das Bundesgericht die voraussetzungslose Ausrichtung von Geldern, welche eine „anspruchsvolle Lebensführung“ ermögliche. Eine solche „uneingeschränkte wirtschaftliche Sicherung von Familienangehörigen auf Generationen hinaus“ wolle das ZGB verhindern. Seit Jahrzenten stellt man sich die Frage: Wieso eigentlich?

Das Bundesgericht selbst lieferte in einem 2009er Entscheid seine Einschätzung dieser historischen Verbotsgründe und befand, dass die Unterhaltsstiftung nicht in unerträglicher Weise gegen die Sitten und das vorherrschende Rechtsempfinden in der Schweiz verstiesse. Die damals ins Feld geführten Argumente seien heute nicht mehr relevant (gemeint sind einerseits die «puritanische» Abscheu gegen den patrizischen Müssiggang, andererseits die unter dem Ancien Régime verbreitete Einschränkung der Eigentums- und der erbrechtlichen Verfügungsfreiheit der Nachkommen durch die von der «kalten Hand» auf Generationen hinaus festgelegten Erbfolge).

Abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen wird auch im Schrifttum die Möglichkeit einer Unterhaltsstiftung befürwortet. Mit anderen Worten war ein Überdenken des Verbots von Unterhaltsstiftungen längst überfällig. Nachfolgend werden die Hauptargumente für die (Wieder)einführung von Unterhaltstiftungen aufgezählt:

  • Familienfeindliches Stiftungsrecht. Stiftungen mit wirtschaftlichem Zweck sind in der Schweiz heute zugelassen. Stifter können einer frei definierbaren Zielgruppe Gelder zu beliebig (cum grano salis) definierbaren Zwecken zukommen lassen, ausser es handelt sich dabei um die Versüssung des Lebenswandels der eigene Familie. Diese Einschränkung zuungunsten der eigenen Nachkommen erscheint absurd.
  • Heutige Familienstiftung wird ignoriert. Wegen der restriktiven Auslegung der Familienstiftung haben wohl schon einige Anwälte ihren Klienten die Stiftungserrichtung in der Schweiz ausdrücklich nicht empfohlen. Das Instrument der Familienstiftung wird in der Praxis schlicht ignoriert.
  • Unterhalt der Familie erlaubt, solange im Ausland errichtet. In der Schweiz wird ohne Weiteres akzeptiert, dass Personen in der Schweiz das verpönte Ziel einer Unterhaltsstiftung (zumindest zivilrechtlich) durch die Errichtung von ausländischen Trusts oder Stiftungen erreichen können. Dass man die Unterhaltsstiftung via einer schweizerischen Stiftung verbietet, dasselbe Resultat jedoch in der Form ausländischer Konstrukte erlaubt, ist kein idealer Zustand. Bisweilen wird immer noch im puritanischen Sinne vorgebracht, durch eine Unterhaltsstiftung würde eine eigentliche Selbstbedienungsmentalität unter den Begünstigten gefördert resp. ermöglicht. Das ist ja nun aber genau das System der bereits heute anerkannten ausländischen Rechtsgebilde. Es leuchtet nicht ein, wieso ein unserem Rechtsverständnis eher fremdes Konstrukt wie der Trust erlaubt sein soll, während die Möglichkeiten der uns bestens vertrauten Stiftung künstlich eingeengt werden.
  • Unterhaltsstiftung schliesst Lücke in der Nachlassplanung. Der Wunsch nach einer Nachlassplanung, welche zeitlich und inhaltlich über das heute Mögliche hinaus geht, ist in der Praxis beträchtlich und betrifft bei Weitem nicht bloss sogenannte (Ultra) High Net Worth Individuals. Letztere weichen bisweilen auf ausländische Rechtsgebilde aus. Wohl kann zwar die eigentliche Nachfolge eines Familienunternehmens im Rahmen der heutigen Rechtsordnung bewerkstelligt werden. Damit ist aber allen Familien ohne eigenen Betrieb noch nicht gedient und auch die Planung bezüglich des ausserbetrieblichen Vermögens bleibt weiterhin eingeengt. Zudem wollen viele Eltern verhindern, dass ihre Nachkommen womöglich zu grossem Vermögen kommen, bevor sie eine gewisse finanzielle Reife erlangt haben. Natürlich gibt es erbrechtliche Vorkehren, mit denen sich der Zugriff auf das elterliche Vermögen bis zum Erreichen eines gewissen Alters hinauszögern lässt. Dies ersetzt aber nicht die Möglichkeiten, welche Trusts und Stiftungen bieten wie bspw. die jährliche, und somit stets begrenzte, Ausschüttung. Die anhaltende Beliebtheit von liechtensteinischen Anstalten / Stiftungen, sowie der Erfolg der von zahlreichen Ländern angebotenen Trusts verdeutlichen die grosse Nachfrage auf dem Markt nach flexibleren Lösungen, als es das Schweizer Stiftungsrecht offeriert.
  • Internationaler Kontext. Der internationale Wettbewerb der Finanzplätze, zu dem auch das Buhlen um vermögende Personen gehört, intensiviert sich weiter. Umso mehr ein Grund, sich nicht unnötig intern zu schwächen, sondern Ansporn, mit den in der Schweiz bereits existierenden Strukturen eine konkurrenzfähige Alternative anzubieten. Der Abfluss von Vermögen und/oder Kontrolle ins Ausland kann nicht im Sinne der Schweiz sein.
  • Demokratisierung der Nachlassplanung. Auch der Mittelstand würde seinen Nachkommen gerne über mehrere Generationen hinaus ein willkommenes Polster bereiten. Wegen der Kosten, welche mit dem Ausweichen auf ausländische Konstrukte und deren Unterhalt anfallen, ist diese ausländische Lösung der breiteren Masse in der Schweiz nicht zugänglich. Wie oben angetönt, muss die Neuausrichtung der Familienstiftung als Unterhaltsstiftung eben auch im Kontext einer Demokratisierung der Nachfolgeplanung gesehen werden.
  • Überraschende Einstellung des Bundesrates. Das Argument des Bundesrats in seiner Stellungnahme zur Motion, dass die Anpassung der Familienstiftung nur im Rahmen einer umfassenden Revision des Stiftungsrechts vollzogen werden könne, ist nicht ohne Weiteres nachvollziehbar. Stiftungen mit wirtschaftlichem Zweck sind heute bereits möglich. Das mit der Unterhaltsstiftung verfolgte Ziel (voraussetzungsloser Unterhalt) ist bekannt und nicht weiter komplex. Es ist zu bedauern, dass der Bundesrat hier nicht eine energischere Lösungssuche vorgezogen hat.
  • Missbrauchsbedenken überzeugen nicht. Nachteile einer Unterhaltstiftung sind keine ersichtlich. Heute unterstehen Schweizer Familienstiftungen keiner staatlichen Aufsicht. Die tatsächliche Einhaltung der restriktiven Zweckumschreibung ist mit anderen Worten nur den Begünstigten und dem Stiftungsrat ersichtlich, wobei man beide ohne unangemessen zu Erröten als „interested parties“ bezeichnen könnte. Insofern ist nicht klar, inwiefern eine Unterhaltsstiftung missbrauchsanfälliger sein sollte als die heutige Familienstiftung oder die ausländischen Trusts / Stiftungen, welche ebenfalls nicht der Kontrolle der hiesige Behörden unterstehen.
  1. Ausblick

Es bleibt somit zu hoffen, dass mit der Annahme der Motion ein Prozess in Gang gebracht wurde, der in einem neuen Familienstiftungsrecht gipfeln wird, das nicht nur die Unterhaltsstiftung an sich erlaubt, sondern auch zugunsten der Unterhaltsstiftung das sehr starre Korsett des Schweizer Stiftungsrechts im nötigen Ausmass auflockert (z.B. Pflicht des Stiftungsrates, spätere Wünsche des Stifters zu ignorieren, welche nicht direkt durch die ursprünglichen Stiftungsdokumenten gedeckt sind). Zudem sollte das neue Recht die Elemente zulassen, denen gewisse ausländische Konkurrenzprodukte mitunter ihren beträchtlichen Erfolg verdanken. Das neue Gesetz sollte schliesslich so klar formuliert sein, dass keine «moralische Korrektur» durch die Gerichte zu befürchten ist.

Paul Thalmann
Rechtsanwalt & Notar
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Alexandre Jann
Attorney-at-Law, LL.M.
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