Neues Internationales Erbrecht

Am 1. Januar 2025 treten neue erbrechtliche Regelungen im schweizerischen internationalen Privatrecht (IPRG) in Kraft. Auslöser der Revisionsbestrebungen ist in erster Linie die 2015 in Kraft getretene Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO). Diese bezweckt u.a. eine Ver-einfachung der Nachlassplanung und Nachlassabwicklung von Erbfällen mit Auslandsbezug. Das internationale Erbrecht der Schweiz (im 6. Kapitel des IPRG) wird im Rahmen der Revisi-on modernisiert und an die Rechtsentwicklung im Ausland angepasst. Einerseits wird die Par-teiautonomie gestärkt, andererseits das Risiko von Zuständigkeitskonflikten mit ausländischen Behörden, vorab in der EU, vermindert. Durch die teilweise Harmonisierung des schweizeri-schen internationalen Erbrechts mit der EuErbVO sollen Entscheidungswidersprüche im Ver-hältnis zu den EuErbVO-Mitgliedstaaten verhindert werden. Dies soll insbesondere durch eine verbesserte Koordination der beidseitigen Entscheidungskompetenzen erfolgen, indem soweit möglich die Zuständigkeits- und Anerkennungsregeln angeglichen werden oder, wo dies nicht möglich ist, darauf hingewirkt wird, dass beide Seiten dasselbe Recht anwenden.

| Judith Hubatka, Katharina Lux

Nachstehend zeigen wir Ihnen die wichtigsten Neuerungen auf:

Neuerungen im Bereich der internationalen Zuständigkeit

Gemäss EuErbVO sind in erster Linie die Behörden und Gerichte am letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort für den gesamten Nachlass zuständig. Befindet sich dieser Ort in einem Dritt-statt, so ist der Mitgliedstaat dennoch zuständig, wenn sich Nachlassvermögen in diesem be-findet und die Erblasserin* Staatsangehörige desselben war oder innerhalb der letzten 5 Jahre ihren früheren gewöhnlichen Aufenthalt im betreffenden Mitgliedsstaat hatte. Ist dies nicht der Fall, besteht eine beschränkte Zuständigkeit für das im Mitgliedstaat gelegene Vermögen.

Das Schweizer IPRG sieht grundsätzlich die Zuständigkeit der Behörden und Gerichte am letzten Wohnsitz vor. Sofern die Erblasserin nirgends (auch nicht im Ausland) Wohnsitz hatte, wird subsidiär auf den gewöhnlichen Aufenthalt (in der Schweiz) abgestellt. Vorbehalten ist (nach wie vor) die Zuständigkeit des Staates des Lageorts eines Grundstückes, der sich als ausschliesslich zuständig erachtet.

Mit der Revision kann nun die Zuständigkeit der schweizerischen Behörden und Gerichte neu auch bei Wohnsitz in der Schweiz unter bestimmten Voraussetzungen ausgeschlossen wer-den:

Ausländische Erblasserinnen mit Wohnsitz in der Schweiz haben neu die Möglichkeit, ihre erbrechtlichen Angelegenheiten (ganz oder teilweise) der Zuständigkeit ihres Heimatstaates zu unterstellen. Voraussetzung für einen solchen Ausschluss der schweizerischen Zuständig-keit ist, dass die Erblasserin entweder im Zeitpunkt der Errichtung der entsprechenden Anord-nung (letztwilligen Verfügung) oder im Zeitpunkt des Todes die ausländische Staatsangehörig-keit besitzt. In diesen Fällen sind die Schweizer Behörden nur dann zuständig, wenn sich der ausländische Staat nicht mit dem Nachlass befasst (siehe sogleich).

Zudem können nach den neuen Regelungen auch Schweizer Staatsangehörige mit Wohnsitz im Ausland trotz Rechtswahl zugunsten ihres schweizerischen Heimatrechts ausdrücklich (durch Anbringen eines entsprechenden Vorbehalts) eine ausländische Zuständigkeit begrün-den bzw. die schweizerische Zuständigkeit ausschliessen. So können also neu Schweizerin-nen im Ausland ihren Nachlass (bzw. in der Schweiz gelegene Vermögenswerte) dem schwei-zerischen Recht unterstellen und gleichzeitig die Zuständigkeit des betreffenden ausländi-schen Wohnsitz-Staates vorbehalten (sog. Opting Out). Die Schweizer Behörden bleiben aber weiterhin zuständig, sofern (i) die Schweizer Zuständigkeit ausdrücklich festgelegt wird oder (ii) Schweizer Recht als anwendbares Recht gewählt wird und entweder die Schweizer Zu-ständigkeit ausdrücklich festgelegt wird oder die Zuständigkeit nicht geregelt wird. Halten Aus-landschweizerinnen weder die Zuständigkeit noch das anwendbare Recht fest, sind die schweizerischen Behörden für eine Auslandschweizerin nur zuständig, sofern sich nicht die ausländischen Behörden am letzten Wohnsitz mit dem Nachlass befassen. Um Zuständig-keitskonflikte zu vermeiden, kann die Schweizer Behörde ihre Zuständigkeit in bestimmten gesetzlich vorgesehenen Fällen auch ablehnen, namentlich wenn sich ausländische Behörden mit dem Nachlass befassen.

Neu ist ab 1. Januar 2025 zudem, dass sowohl schweizerische als auch ausländische Staats-angehörige ausländische Grundstücke der Zuständigkeit des jeweiligen Lagestaats unterstel-len können.

Trotz dieser grundsätzlich zu begrüssenden Änderungen ist zu beachten, dass (noch) unklar ist, ob die Behörden und Gerichte, zu deren Gunsten die Zuständigkeit gewählt wurde oder denen die Zuständigkeit entzogen wurde, diese neuen Zuständigkeitsregeln in dieser Form akzeptieren werden.

Neuerungen im Bereich des anwendbaren Rechts

Gemäss EuErbVO ist grundsätzlich das Recht am letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort der Erblasserin anwendbar. Darüber hinaus lässt die EuErbVO eine Rechtswahl zugunsten des Heimatrechts zu, unabhängig davon, ob es sich um das Recht eines Mitgliedstaates oder ei-nes Drittstaates wie der Schweiz handelt. Das Schweizer IPRG stellt hinsichtlich des anwend-baren Rechts wiederum auf den letzten Wohnsitz der Erblasserin ab.

Neu können nun auch in der Schweiz nicht nur ausländische Staatsangehörige, sondern auch Schweizer Doppelbürgerinnen ihren Nachlass (ganz oder – für Schweizer Doppelbürgerinnen – unter gegebenen Umständen auch teilweise) einem ihrer Heimatrechte unterstellen. Die Staatsangehörigkeit des gewählten Heimatrechts muss entweder im Verfügungszeitpunkt oder im Zeitpunkt des Todes gegeben sein. Zu beachten ist jedoch, dass trotz der neuen Möglich-keit der Wahl des Heimatrechts Schweizer Doppelbürgerinnen das Pflichtteilsrecht nicht ab-bedingen können. Dies bedeutet, dass für sie die Verfügungsfreiheit infolge des Pflichtteils-schutzes gewisser Erben unabhängig von der Rechtswahl eingeschränkt ist.

Eine solche Wahl des Heimatrechts durch Schweizer Doppelbürgerinnen ist mit vielen Unklar-heiten bzw. Auslegungsfragen bezüglich der Tragweite dieses Vorbehaltes verbunden. Offen ist z.B. die Frage, ob der Vorbehalt durch Wahl der Zuständigkeit und des anwendbaren Rech-tes des zweiten Heimatstaates umgangen werden kann – die Behörde dieses Staates, die das Heimatrecht anwendet, wird sich kaum um schweizerische Pflichtteilsansprüche kümmern.

Die Möglichkeit für im Ausland lebende Schweizerinnen, für ihr schweizerisches Vermögen eine Teilrechtswahl zu treffen, bleibt bestehen, sofern damit auch eine schweizerische Zu-ständigkeit verbunden ist. Im Übrigen bleibt es dabei, dass bei einer Zuständigkeit der schwei-zerischen Behörden und Gerichte im Sinne einer Heimatzuständigkeit eine (konkludente) Rechtswahl des schweizerischen Rechts vermutet wird, sofern die Erblasserin nichts anderes verfügt hat.

Liegt keine Rechtswahl vor, so untersteht der Nachlass einer Person mit Wohnsitz im Ausland, dem Recht, auf welches das Kollisionsrecht dieses Staates verweist. Um eine endlose Weiter- bzw. Rückverweisungen zu verhindern, wird neu klargestellt, dass bei einem Rückverweis auf das schweizerische Kollisionsrecht das materielle Erbrecht des Wohnsitzstaates anwendbar ist.

Präzisierungen zum Willensvollstrecker und Nachlassverwalter

Das neue IPRG enthält auch Präzisierungen zum anwendbaren Recht für den von schweizeri-schen Behörden ernannten Willensvollstrecker bzw. Nachlassverwalter bei der Anwendbarkeit ausländischen Erbrechts. Es legt fest, dass das Schweizer Recht grundsätzlich auch für die verfahrensrechtlichen Aspekte der Willensvollstreckung sowie auf die Verfügungsbefugnis des Willensvollstreckers über den Nachlass anwendbar ist. Dies gilt unabhängig davon, welches Recht auf den Nachlass als solchen anwendbar ist.

Mit den Neuerungen des IPRG und der erweiterten Parteiautonomie werden den Erblasserin-nen und Erblassern mehr Möglichkeiten für ihre (internationale) Nachlassplanung zur Verfü-gung stehen. Dennoch oder vielleicht gerade deshalb wird die (internationale) Nachlasspla-nung immer komplexer. Gerne stehen wir Ihnen zur Verfügung, sofern Sie weitere Fragen zu Ihrer Nachlassplanung haben und unterstützen Sie bei der Wahl eines für Sie zugeschnittenen Vorgehens.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachfor-men männlich, weiblich und divers (m/w/d) verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermassen für alle Geschlechter.

Judith Hubatka
Rechtsanwältin & Notarin
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Katharina Lux
Ass. iur., LL.M., Rechtsanwältin
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