Spotlight auf die neuen Bestimmungen in der Praxis – Work in progress
Retrospektiver Währungswechsel -Unzulässige Vorwirkung bei Wechsel auf einen Zeitpunkt vor dem 1.1.2023
Gemäss Botschaft des Bundesrates zum Aktienrecht ist ein Wechsel des Aktienkapitals in eine Fremdwährung pro- oder retrospektiv zulässig. Dabei müssen die Voraussetzungen von Art. 621 Abs. 3 OR erfüllt sein.
Kann auch dann retrospektiv gewechselt werden, wenn der Stichtag des relevanten Geschäftsjahrs auf einen Termin vor Inkrafttreten der Aktienrechtsnovelle (1.1.2023) fällt?
Die Handelsregisterämter lassen dies nicht zu. Begründung: Ein retrospektiver Wechsel auf einen Zeitpunkt vor dem 1.1.2023 bedeute eine Vorwirkung des neuen Rechts – und damit eine Ausserkraftsetzung des bisherigen Aktienrechts für den relevanten Zeitraum. Hierzu fehle – anders als z.B. betreffend die Regeln zur Geschlechterquote im Verwaltungsrat sowie zur Transparenz bei Rohstoffunternehmen (vgl. Art. 4 und Art. 7 Übergangsbestimmungen zum neuen Aktienrecht vom 19. Juni 2020) – die notwendige Gesetzesgrundlage. Parallelen ziehen die Handelsregisterämter zu analogen Fragen, welche sich 2008 und 2013 zum Inkrafttreten der Regeln zum Revisionsverzicht und des revidierten Rechnungslegungsrechts stellten. Des Weiteren scheinen sie zur Debatte zu stellen, ob die gemäss höchstrichterlicher Rechtsprechung für eine Vorwirkung verlangten Voraussetzungen wie triftige Gründe und Wahrung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes im gegebenen Fall überhaupt erfüllt seien.
Zur Frage, ob hier tatsächlich eine unzulässige Rückwirkung vorliegt, liesse sich trefflich streiten, denn:
- Die Rückwirkung wäre in einem vernünftigen Rahmen zeitlich limitiert;
- Die freiwillige Umstellung der Währung auf ein Geschäftsjahr, das vor dem 1. Januar 2023 begonnen hat, würde weder gegen schutzwürdige Interessen verstossen, noch zu stossenden Ungleichheiten führen;
- Das Rückwirkungsverbot ist letztlich eine Schutznorm; einzig nicht einzusehen ist, wen die Handelsregisterämter mit ihrer hier monierten Verweigerung schützen wollen. Wer sich freiwillig einem Währungswechsel unterwirft, kann diesbezüglich nicht schutzbedürftig sein, schon gar nicht, wenn seine funktionale Währung der Zielwährung entspricht (was ein Währungswechsel ja voraussetzt);
- Wenn der hier diskutierte Tatbestand überhaupt rechtlich relevante Rückwirkung entfaltet, dann bloss „unechte“. Und diese wäre nicht zu beanstanden, jedenfalls solange, als sie nicht in wohlerworbene Rechte eingreift. Dies dürfte kaum jemand ernsthaft behaupten wollen.
Wir sehen aber weder triftige Gründe noch erachteten wir es als verhältnismässig, uns diesbezüglich mit den Registerbehörden anzulegen.
Damit ist zu akzeptieren: Eine Umstellung des Aktienkapitals in eine Fremdwährung auf einen Zeitpunkt vor dem 1.1.2023 geht nicht. Immerhin: Der Zeitablauf wird dies richten.