Ein/e Deutsche/r in der Schweiz

Die Zuwanderung aus dem Ausland, in erster Linie aus unseren Nachbarländern Deutschland, Italien und Frankreich, ist ungebrochen hoch, und es ist davon auszugehen, dass sich dieser Trend, nicht zuletzt aufgrund des sich verschärfenden Fachkräftemangels, auch in naher Zukunft nicht abschwächen wird. Demzufolge nimmt auch der Beratungsbedarf in ehe- und erbrechtlichen Angelegenheiten mit internationalem Bezug – sei es aufgrund binationaler Ehen, einer/m (mit Wohnsitz) in der Schweiz verstorbenen Ausländer/in, aber auch aufgrund von Vermögen im Ausland – stetig zu.

| Judith Hubatka, Katharina Lux

Internationale Erbangelegenheiten sind knifflig. Deutsche, die in der Schweiz leben, sehen sich im einfachsten Fall mit dem deutschen Erbrecht, der EU-Erbrechtsverordnung (EUErbVO) und dem Schweizer (nationalen und internationalen) Privatrecht (ZGB bzw. IPRG) konfrontiert. Damit sind sie auch der latenten Gefahr rechtlicher Kompetenzkonflikte bzw. konkurrierenden Zuständigkeiten von Rechtsordnungen und Rechtsanwendungsbehörden ausgesetzt. Wer eine komplizierte und langwierige Nachlassabwicklung vermeiden will, trifft die notwendigen bzw. angemessenen erbrechtlichen Vorkehrungen.

Diese Notwendigkeit sorgfältiger Nachlassplanung verdeutlichen wir im Folgenden unter Bezugnahme auf das schweizerische internationale Privatrechtsgesetz (IPRG) und die EU-Erbrechtsverordnung (EUErbVO)- im Verhältnis Schweiz-Deutschland. Bei dieser Gelegenheit gehen wir auch noch auf den einen oder andern Aspekt ein, der bei der Nachlassplanung berücksichtigt werden muss.

Welches Recht ist anwendbar?

Um über die (möglichen) Rechtsfolgen des Todes auf sein Vermögen Klarheit zu gewinnen, geht es in einem ersten Schritt darum zu verstehen, welchem Recht diese Frage unterliegt.

Die Frage, welches Recht auf den Erbfall bzw. die Teilung des Nachlasses anwendbar ist, bestimmt sich im Erbrecht je nach Rechtsordnung zumeist aufgrund der Staatsangehörigkeit, dem Wohnsitz oder dem letzten gewöhnlichen Aufenthalt der verstorbenen Person. Aus schweizerischer Sicht ist grundsätzlich das Recht des letzten Wohnsitzes anwendbar (ein Ausländer kann aber auch sein Heimatrecht wählen, vgl. sogleich). Als letzter Wohnsitz gilt der Ort, an dem sich der Erblasser/die Erblasserin mit der Absicht des dauernden Verbleibens aufhält bzw. vor dem Tod aufgehalten hat (d.h. es wird eine in die Zukunft gerichtete Betrachtungsweise angewandt). Hatte der/ie Erblasser/in daher seinen/ihren letzten Wohnsitz in der Schweiz, so unterliegt sein/ihr Nachlass (aus schweizerischer Sicht) schweizerischem (Erb-)Recht.

Aus deutscher Sicht bzw. gemäss der EUErbVO ist auf den Erbfall das Recht des Staates anzuwenden, in dem die verstorbene Person im Zeitpunkt ihres Todes ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Massgeblich ist der tatsächliche Lebensmittelpunkt, der aufgrund einer Gesamtbeurteilung der Lebensumstände der verstorbenen Person in den Jahren vor ihrem Tod und im Zeitpunkt ihres Todes zu beurteilen ist (d.h. es wird eine vergangenheitsbezogene Betrachtungsweise angewandt). Der gewöhnliche Aufenthalt ist daher nicht notwendigerweise mit dem letzten Wohnsitz identisch.

Lebte und arbeitete ein/e deutsche/r Staatsangehörige/r beispielsweise in der Schweiz und hatte er/sie dort auch seinen/ihren Lebensmittelpunkt, so kann sowohl aus schweizerischer als auch aus deutscher Sicht davon ausgegangen werden, dass sich sein/ihr letzter Wohnsitz bzw. gewöhnlicher Aufenthalt in der Schweiz befand. Im Ergebnis bedeutet dies, dass sowohl aus Sicht der deutschen als auch aus Sicht der schweizerischen Behörden schweizerisches Recht zur Anwendung kommt. Heikler ist es, wenn ein/e deutsche/r Arbeitnehmer/in in der Schweiz seinen/ihren Wohnsitz hat und arbeitet, seine/ihre sozialen Bezugspunkte, wie z.B. Familie, sich aber ausschliesslich in Deutschland befinden, und er/sie sich deshalb jedes Wochenende und in seiner/ihrer Freizeit in Deutschland aufhält.

Da das nach dem letzten Wohnsitz bzw. Lebensmittelpunkt anwendbare Recht nicht immer das Recht ist, das den Interessen des/r Erblassers/in am besten entspricht, sehen sowohl das schweizerische als auch das deutsche Recht bzw. die EUErbVO eine Rechtswahlmöglichkeit (zugunsten des Heimatrechts) vor. Zur Vermeidung von Unklarheiten bzgl. des anwendbaren Rechts sollte der/die oben erwähnte deutsche Arbeitnehmer/in also eine Rechtwahl treffen.

Welche Behörde bzw. welches Gericht ist zuständig?

Auch wenn die Frage nach der Zuständigkeit der Behörden (Gerichte) auf den ersten Blick unbedeutend erscheint, wird sie insbesondere dann wichtig, wenn zwischen den Erben Streitigkeiten über den Nachlass entstehen. Problematisch wird es z.B. dann, wenn ein/e deutsche/r Erblasser/in mit letztem Wohnsitz in der Schweiz und Nachlassvermögen in Deutschland und der Schweiz verstirbt, und sich die Behörden beider Länder gleichzeitig als (ausschliesslich) zuständig erachten.

Das schweizerische Recht knüpft auch für die Frage der Zuständigkeit in der Regel an den letzten Wohnsitz des/r Erblassers/in an. Aus schweizerischer Sicht sind somit grundsätzlich die Behörden und Gerichte am letzten schweizerischen Wohnsitz des/r Erblassers/in für das gesamte Nachlassverfahren (inkl. Streitigkeiten zwischen den Erben) zuständig. Ausgenommen sind Fälle, in denen sich eine ausländische Behörde für Grundstücke vor Ort ausschliesslich zuständig erklärt. Demgegenüber knüpft die EUErbVO für Fragen der Zuständigkeit, wie bereits für die Frage des anwendbaren Rechts, zunächst an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt des/r Erblassers/in an. Für den Fall, dass der letzte gewöhnliche Aufenthalt in einem Drittstaat wie der Schweiz liegt, sieht die EuErbVO zwar grundsätzlich keine Zuständigkeit zugunsten eines Mitgliedstaates vor; hinterlässt der/ie deutsche Erblasser/in aber (auch) Nachlassvermögen in einem Mitgliedstaat, so ist nach der EuErbVO dieser Mitgliedstaat trotzdem für den gesamten Nachlass zuständig. Es besteht hier also das Risiko von konkurrierenden Zuständigkeiten.

Eine Abweichung von der Regelanknüpfung mittels Testaments oder Erbvertrags ist in den meisten Fällen weder nach schweizerischem Recht noch nach der EUErbVO möglich. Allerdings sieht das schweizerische Recht die Möglichkeit vor, durch eine Gerichtsstandsvereinbarung, d.h. durch eine schriftliche Vereinbarung zwischen Erblasserin und allen Beteiligten (d.h. mindestens mit allen Erben, die im Zeitpunkt der Vereinbarung bestehen), von der Regelanknüpfung abzuweichen. Da die EUErbVO aber Gerichtsstandsvereinbarungen nur zugunsten eines Mitgliedstaates, nicht aber zugunsten eines Drittstaates anerkennt, ist hier grosse Vorsicht bzw. eine gute Nachlassplanung geboten. Angesichts des gegebenenfalls grossen Kreises von Vertragsparteien ist eine Gerichtsstandsvereinbarung zudem wohl kein praktikables Instrument.

Was unterscheidet das schweizerische Erbrecht vom deutschen Erbrecht?

Hat ein/e Erblasser/in die Möglichkeit, das auf seinen Nachlass anwendbare Erbrecht zu wählen, muss er/sie sich mit der Frage auseinandersetzen, welches Erbrecht seinen/ihren Wünschen in Bezug auf seinen/ihren Nachlass am ehesten entspricht. Eine Rechtswahl bedingt also die Kenntnis der Vorteile einer Rechtsordnung bzw. der Unterschiede der (wählbaren) Rechte. Auf den ersten Blick scheinen die Unterschiede zwischen dem schweizerischen und dem deutschen Erbrecht eher gering. Bei genauerer Betrachtung bestehen aber doch gewisse Differenzen, die je nach den Umständen, massgeblich ins Gewicht fallen können.

Wesentliche Unterschiede bestehen beispielsweise im Pflichtteilsrecht, da der Nachlass bzw. das zum Nachlass zählende Vermögen unterschiedlich ermittelt bzw. berechnet wird. Auch die zur Disposition stehenden Verfügungsformen unterscheiden sich. Zwar kennen sowohl das schweizerische als auch das deutsche Recht die Möglichkeit des Erbvertrages und des Testaments, doch erlaubt das deutsche Recht zusätzlich die Errichtung eines gemeinschaftlichen Ehegattentestaments (sog. Berliner Testament), was die Meistbegünstigung des Ehegatten auf diesem Wege ermöglicht. Ein gemeinschaftliches Testament ist nach schweizerischem Recht nicht zulässig, eine entsprechende Begünstigung bedarf des (Ehe- und) Erbvertrags. Letztlich kann für die Wahl des Erbrechts auch der (unterschiedliche) Einfluss des Güterrechts von Bedeutung sein. Wählen die Ehegatten keinen Güterstand, so gilt nach schweizerischem Recht der gesetzliche Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung. Beim Tod eines Ehegatten findet (anders als im deutschen Recht) zunächst eine güterrechtliche Auseinandersetzung statt, d.h. eine Aufteilung des ehelichen Vermögens zwischen dem überlebenden Ehegatten und den Erben des verstorbenen Ehegatten (wozu auch der überlebende Ehegatte zählt). Erst in einem zweiten Schritt wird der Nachlass aufgeteilt. Das Ehegüterrecht kann also die Höhe des Nachlasses massgeblich beeinflussen. Das deutsche Recht hingegen kennt diese Form der Auseinandersetzung im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft nicht und löst die Auseinandersetzung bei Vorversterben eines Ehegatten durch einen pauschalen Zugewinnausgleich.

Welche Vorgehensweise bzw. welches Erbrecht für die Beteiligten am besten geeignet ist, muss also jeweils im Einzelfall geprüft werden.

Was sollten Sie, als Deutsche/r mit Wohnsitz in der Schweiz, bei der erbrechtlichen Planung also tun?

In einem ersten Schritt sollten Sie sich Gedanken darüber machen, was mit Ihrem Nachlass nach Ihrem Tod geschehen soll, und was Sie mit Ihren Verfügung/en (Testament, Erbvertrag) erreichen möchten. Gerade bei grenzüberschreitenden Erbfällen ist die letztere Frage zur Beurteilung des weiteren Vorgehens von erheblicher Bedeutung. Ob und wie die beabsichtigten erbrechtlichen Wirkungen eintreten, hängt wie bereits erwähnt massgeblich vom anwendbaren Recht ab. Entsprechend ist zu prüfen, welches (wählbare) Recht die bestmöglichen Gestaltungsmöglichkeiten bietet, um die gewünschten erbrechtlichen Wirkungen zu erreichen. Oft dürfte dabei die Frage der (Höhe der) Verfügungsfreiheit und damit zusammenhängend die für die Bestimmung des Nachlasses massgebliche Berechnungsmasse eine wesentliche Rolle spielen.

Bei der Prüfung der Umsetzungsmöglichkeiten muss stets die individuelle Situation des/r Erblassers/in im Zentrum stehen. Dabei bedarf es einer ganzheitlichen, nicht nur auf erbrechtliche Aspekte ausgerichteten, Betrachtung. Sind Sie verheiratet oder leben Sie in eingetragener Partnerschaft, so ist für eine sorgfältige erbrechtliche Planung der Einbezug der (ehe)güterrechtlichen Situation unabdingbar. Neben allfälligen Überlegungen aus steuerlicher Sicht dürfen im Weiteren auch (bereits erfolgte) Anordnungen zu Lebzeiten bei der Planung nicht ausser Acht gelassen werden.

Sofern Sie weitere Fragen hierzu haben, stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Wir unterstützen Sie auch bei der Wahl eines für Sie zugeschnittenen Vorgehens, bei Bedarf auch unter Beizug eines/r Korrespondenzanwalts/anwältin in Deutschland.

01.03.2024

Judith Hubatka
Rechtsanwältin & Notarin
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Katharina Lux
Ass. iur., LL.M., Rechtsanwältin
[email protected]

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